Zur Geschichte des Reichenbachtales
Mit viel Energie strömt der Reichenbach 3,5 km der Murg entgegen.
Der Bach hat sich in 50 Millionen Jahren in den Granit gefressen und
das Tal ausgeräumt. Nur am unteren Ende, nach 180 Höhenmeter
Gefälle, ist er auf Widerstand gestoßen. Hier liegt der
Rockertkopf im Weg und der Talgrund verengt sich auf 30 Meter. Bald
danach mündet der Reichenbach in die Murg. An dieser Stelle liegt
die 1339 erwähnte Siedlung „Hilboltzowe“, der heutige
Gernsbacher Teilort Hilpertsau. Am oberen Beginn des
Mittelgebirgsbaches wurde im Ebersteiner Forst, etwa zur gleichen Zeit,
der Ort „Richental“ angelegt. Der in einer Talweitung 370
Meter hoch gelegene Ort leitet seinen Namen von mittelhochdeutsch
„rich“ her, das bedeutet reich (an Wasser ? ).
Im Jahre 1450 wird die Siedlung zum erstenmal „Dorf“
genannt. Das Dorf entwickelte sich unter ebersteinischer und
markgräflicher Herrschaft wie die umliegenden Dörfer
Obertsrot, Hilpertsau und Lautenbach. Kirchlich ist Reichental ab1481
der Pfarrei Weisenbach zugeteilt. Der große und der kleine Zehnt
der Reichentaler Gemarkung wurde zu zwei Dritteln dem Domstift Speyer,
zu einem Drittel der Pfarrei Rotenfels zugeführt.
Im 15./16. Jahrhundert begann ein einschneidender wirtschaftlicher
Umschwung. Die Holzarmut der Rheinebene und die aus Holland
angeforderten Schiffsbauhölzer machten den Schwarzwald zum
Holzspender. Holzfäller aus Oberdeutschland, Tirol und dem
Salzburger Land zogen zu. Es vermischte sich die alte fränkische
Bevölkerung mit den Alemannen, was auch im Hausbau seinen
Niederschlag gefunden hat.
Die Kommune verfügte über ausgedehnten Waldbesitz. Von
großer Bedeutung für Reichental war die Waldwirtschaft und
der Holzhandel. Seit dem 14. Jahrhundert traten wiederholt Bürger
aus Reichental als Pächter oder Besitzer größerer
Waldstücke auf. Der Holzreichtum der Gemarkung war auch die
Voraussetzung dafür, dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts in
Reichental in größerem Umfang Pottaschesiederei betrieben
wurde.1767/68 suchte man vergeblich nach Quecksilbervorkommen.
Zwischen 1720 und 1760 gab es einige auffällige Rodungswellen und
so kam es, dass sich um 1830 das Reichenbachtal vom Waldtal in ein
Wiesental wandelte.
Das ganze Reichenbachtal weist ein ausgeklügeltes
Bewässerungssystem auf. Mehr als zehn inzwischen meist verwachsene
Wasserkanäle leiteten das Bachwasser 500 bis 800 Meter in beide
Talflanken hinein und gaben es an kleinere Wassergräben weiter,
die zu jedem einzelnen Wiesenstück führten.
Als weiteres wertvolles Kulturzeichen stehen im Reichenbachtal die
typischen Heuhütten, die als Aufbewahrungsort für das Heu
dienten.
Der Ackerbau spielte eine nachgeordnete Rolle, stärker ausgeprägt war die Weidewirtschaft.
1494 wurde Reichental erlaubt, für den eigenen Bedarf auf Hilpertsauer Gemarkung Reben zu pflanzen.
Das Ende des Dreißigjährigen Krieges brachte eine starke
Zunahme der Bevölkerung und eine erhebliche Parzellierung der
Grundstücke durch Realteilung. Seit dieser Zeit bis in die
frühen Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts wurden die Wiesen
intensiv genutzt, gepflegt und gehegt. Danach kam die Trendwende: Die
Äcker wurden zu Grünland, viele Wiesen mähte man nur
noch einmal im Jahr und das Gras wurde verbrannt oder in die üppig
wuchernden Hecken gedrückt. Wiesenstücke fielen brach und
Birken, Weiden und Eschen eroberten sich ihr Terrain zurück. Der
Wandel von der ehemals intensiv genutzten Kulturlandschaft zur
Naturlandschaft ist offensichtlich.